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Wolfgang-Andreas Schultz

Byzantinisches Licht – Kammerkonzert für Posaune, 3 Kontrabässe und Klavier

Der Kulturkreis des byzantinischen Reiches, des vormals oströmischen Reiches, erstreckt sich von Sizilien bis nach Russland. In der bildenden Kunst hat sich dort eine sehr spezifische Bildsprache entwickelt, in den Mosaiken und in der Ikonen-Malerei, die dieses Werk angeregt hat.

Der erste Satz bezieht sich auf eine russische Ikone aus dem 16. Jahrhundert, die Christi Höllenfahrt darstellt. Zu Beginn klingt die Welt der byzantinischen Kirchenmusik an, die lang gehaltene Borduntöne und in der Melodik Vierteltöne kennt. Dann wendet sich der Blick in die Tiefe zu den unerlösten Menschen (ein chromatisches und rhythmisch verspanntes Thema in den Kontrabässen), überwölbt von einer großen Linie der Posaune. Diese übernimmt dann die Motive der Unerlösten und verwandelt sie nach und nach in eine rhythmisch fließende diatonische Variante, dem Thema der Erlösten, als Bild dafür, dass Christus Adam und Eva als Repräsentanten der Menschheit aus der Hölle herausgeführt hat.

Der zweite Satz wurde angeregt durch die berühmte Ikone der Dreifaltigkeit von Andrej Rubljow. Da Gott selber in der orthodoxen Kirche nicht dargestellt werden durfte, wurde die sog. „alttestamentliche Dreifaltigkeit“ gemalt in Gestalt der drei Engel, die Abraham besuchten, wobei die Engel den drei Wesenheiten Gott-Vater, Sohn und dem Heiligen Geist zugeordnet wurden. Die Komposition beruht auf einer heterophon verzweigten Einstimmigkeit: das Kernthema in der Posaune in ruhigen Werten in der Mitte, Kontrabässe und Klavier mit jeweils eigenen Varianten darunter und darüber – drei Linien und doch letztlich nur eine.

Der dritte Satz bezieht sich auf das Mosaik Christus Pantokrator im Dom zu Monreale auf Sizilien. Er nimmt die Welt der byzantinischen Hymnen vom ersten Satz auf und für sie weiter. Dabei entfalten sich zwei Themen, die aus der Obertonreihe auf D entwickelt sind, zur Skala d-e-fis-gis-a-h-c-cis-d zusammengefügt. Aber auch die menschliche Seite mit unterschiedlichen Gefühlen und der Auseinandersetzung mit dämonischen Kräften kommt zur Darstellung bis zur Andeutung von Tod und Auferstehung.

Dauer: etwa 3 + 4 + 7 Minuten, also zusammen etwa 14 Minuten.

Hinweise zur Aufführung:

Der dritte Kontrabass muss ein Instrument mit 5. Saite (auf H) sein.
Die Flageolette der Kontrabässe sind klingend notiert („suoni reali“).

In der Posaune werden Vierteltöne benutzt: Dabei bedeutet das umgedrehte b: Erniedrigung um nur einen Viertelton, und das Kreuz mit nur einem senkrechten Strich: Erhöhung nur um einen Viertelton.

Einer guten Klangbalance zuliebe, insbesondere mit Rücksicht auf die Kontrabässe, sollten die dynamischen Angaben in der Posaunen-Partie als relativ betrachtet werden.